Endlich konnten wir unsere Freunde in Nepal erreichen. Sie haben überlebt. Doch die Angst vor den täglichen Nachbeben sitzt ihnen wie Millionen anderen täglich im Nacken.
von Christine Losso für Into the world
“Ja wir haben überlebt”, sagt Tham Bahadur Tilja, unser langjähriger Freund aus Nepal, der uns seit mehr als 25 Jahren auf all unseren Trekkingtouren und Expeditionen im Himalaya begleitet. Tham lebt mit seiner Familie im buddhistischen Viertel in Kathmandu und hat dort vor einigen Jahren sein eigenes Haus bauen können.
Die Idee das mehrstöckige Gebäude stabil und auf festem Fundament zu errichten, hat sich nun mehr als bewährt. “Das Haus steht noch” berichtet Tham, doch innen ist alles kaputt. “Wir schlafen seit dem großen Beben im Freien und nun beginnt es zu regnen“, doch wir sind vorerst einfach nur froh, endlich seine Stimme hören zu können. Zwei Tage lang haben wir versucht ihn zu erreichen. Doch alle Leitungen waren unterbrochen, es gab kein Durchkommen mehr nach Kathmandu.
Shen Tiel, seine erwachsene Tochter, die zur Zeit in Australien lebt und studiert, konnte einmal mit ihrer Familie telefonieren und wenigstens erfahren, dass alle überlebt haben. Welch eine Erleichterung. So waren wir auch mit Shen Tiel in laufendem Kontakt.
Sie in Australien und wir in Thailand und beide verband uns die Sorge um unsere Lieben in Nepal.
Keinerlei Verzweiflung war in Thams Stimme nun zu hören. Das kennt Tham nicht. Nur einfach die unbändige Freude uns zu hören. Wohlauf und gesund. Das ist eine Kostbarkeit, die Zehntausende Hinterbliebene von nunmehr fast 5000 Toten nicht mehr spüren dürfen.
Thams Frau und seine beiden anderen Kinder befanden sich im Haus, als es zu beben begann. “Wir sind hinaus gerannt so schnell wir konnten, es hat fast zwei Minuten gedauert, wir haben geglaubt, das hier ist das Ende“, berichtet Tham.
Er sei froh, uns zu hören, meint er, wir sollen nicht verzagt sein, sie seien stark, es werde weiter gehen.
Welch große Worte von einem großen bescheidenen Mann. Verzweiflung kennt Tham nicht. Er stammt vom Volke der Sherpa ab, ist im Himalaya aufgewachsen. Und das prägt.
Tham musste mit vielem fertig werden. Als er sich als sehr junger Mann eines Tages entschlossen hatte, hinunterzusteigen ins Tal und in Kathmandu sein Glück zu versuchen, war er vorerst noch geschockt vor den ersten Begegnungen mit Fremden.
Tham versteckte sich vor ihnen und beobachtete sie tagelang erst einmal aus sicherer Entfernung. Dann endlich kam er hinter seinem Baum hervor und beschloss, Expeditionen zu begleiten und den Duft der weiten Welt einatmen zu wollen.
Durch viel Fleiß und jahrelange aufopfernde Arbeit ist es dem Sherpa aus dem tiefsten Himalaya gelungen, bei internationalen Expeditionen mitarbeiten zu dürfen, einige waren auch von Reinhold Messner organisiert gewesen, und diese brachten Tham das kleine große Glück. Es gelang ihm sich vom einfachen Küchenjungen zum Shirdar und dann zum eigenen Agenturchef von Mountain Celebration emporzuarbeiten.
Eine Reise nach Europa war das Highlight seines Lebens, von Reinhold Messner organisiert und bezahlt. So hatten auch wir schließlich das Glück, diesen wunderbaren Menschen aus den Bergen Nepals kennen zu lernen und viel Zeit mit ihm verbringen zu dürfen. Damals waren die Grenzen noch etwas offener und die Gesetze noch nicht so rigoros.
Gottlob, wie viel an Leben, an Herzlichkeit, an Liebe wäre uns sonst vorenthalten geblieben. Wir selbst lebten und arbeiteten damals auf Schloss Juval bei Reinhold Messner.
Eine herausragende Erinnerung mit Tham war, als er mit uns das erste Mal das Meer fuhr. Samt Kleidung stürzte er sich in die Fluten und spuckte dann angewidert das viele Salzwasser aus, das er zu schlucken drohte. Oder als er mit Roland zum Klettern ging und so sagenhaft flink die Wände hochkraxelte, dass allen anderen Südtiroler Kletterfritzen regelrecht die Spuke im Hals stecken blieb.
Als Tham das erste Mal unseren gekreuzigten Herrgott sah, wich er mehr als entsetzt zurück und fragte verwundert, was dieser da oben den angestellt habe, dass es ihm so schlecht ergehen würde nun. Wir erklärtem ihm, dass dies unser Jesus ist, der am Kreuze für uns gestorben und die Geschichte schon mehr als 2000 Jahre her sei.
Was ihn in noch größere Verwunderung stürzte. Wie nur waren Menschen in der Lage ihrem Gott solche grausame Dinge anzutun, fragte sich Tham. Bestürzt war er aber auch vom Fakt, dass man diese “Tat” auch noch 2000 Jahre später in Form des Kreuzes so öffentlich darstellte. Sprachlosigkeit auf beiden Seiten. Zwei Welten und zwei Kulturen prallten aufeinander.
Wir beten für unseren Freund Tham und seine Familie, wir beten für alle Menschen in Nepal, die schwere Zeiten durchstehen müssen.
Nepals Ministerpräsident Sushill Koirala spricht inzwischen von mehr als Zehntausend Toten. Bis sich die Hilfstrupps in die entlegensten Winkeln des Landes vorgearbeitet haben, werden noch Tausende Tote und Verletzte vermutet.
In Kathmandu seien insbesondere die historischen und Jahrtausende alten Kulturgüter betroffen, die wie Kartenhäuser ins sich zusammengesackt und auf die Menschen gestürzt. “Uns machen auch die zahlreichen Nachbeben zu schaffen, wir schlafen praktisch immer im Freien seit dem ersten Beben am Samstag”, sagt Tham. Erst im vergangenen Herbst hatte Roland Losso mit seinen Freunden eine Expedition zum 6467 Meter hohen Mera Peak organisiert und auch damals war Tham der Organisator vor Ort und Begleiter der Truppe.
Nun weiß kein Mensch mehr wie es in Nepal weitergehen soll. “Erst einmal sind wir froh, dass wir alle überlebt haben, dann werden wir sehen”, sagt Tham. Ob er dann überhaupt noch Arbeit haben wird, steht in den Sternen.
Was mit dem Waisenheim “Bald Mandir” geschehen ist und ob es noch steht, konnten wir bis dato leider noch nicht in Erfahrung bringen. Unsere Organisation “Hope for a better world” hatte dieses Waisenheim besucht und mit Spenden aus Südtirol unterstützt. Wir warten weiter auf Nachrichten.
Wir wollen mit dieser Spendenaktion und “into the world” unseren bescheidenen Beitrag leisten, um unsere Freunde und die Menschen in Nepal in ihrem großen Leid zu unterstützen.
Alle Spenden werden durch unsere NGO Organisation “hope for a better world” sicher und von uns selbst nach Nepal gebracht werden. So wie wir alle Spenden seit mehr als 20 Jahren selbst an Ort und Stelle gebracht und mit Vertrauenspersonen verwaltete haben.
Mittlerweile gibt es weltweit mehr als 20 Projekte. Danke allen, die solidarisch sind mit den Menschen in Nepal.
[DE] Spendenaktion für Nepal:Wir sind nun an der Reihe den Menschen, die wir dort lieben, unsere Solidarität und…Posted by INTO the WORLD on Montag, 27. April 2015