Mera Peak, Into the World auf dem Dach der Welt

Beim zweiten Anlauf sollte es klappen. Bereits einmal habe ich mit einer Gruppe versucht den 6467 Meter hohen Mera Peak im Everest Gebiet im Himalaya zu erklimmen. Damals blieb unserer Gruppe am Ende zu wenig Zeit für den Gipfel übrig.

Mera Peak – Mein großer Traum

Man muss in Gebieten wie diesen ja immer auch an den teils langwierigen Rückmarsch denken. Obwohl der Mera Peak mit seiner Höhe einen Expeditionsgipfel darstellt, ist sein Aufstieg technisch relativ einfach. Was aber vielen dennoch zu schaffen macht, ist die Höhe und die Akklimatisierung. Und letztendlich die Zeit. Unsere Gruppe bestand im November 2014 aus Silvia Gabloner und ihrem Freund Roman Zingerle sowie Sepp Leitner, der uns ein Jahr zuvor bereits auf den Kilimandscharo in Kenia begleitet hatte, und ja – meiner Wenigkeit, Roland Losso. Meine Freunde stammen aus Vals in Südtirol, sie waren höchst motiviert und schienen vor Vorfreude schier zu platzen. Sie hatten sich in den Südtiroler Bergen bestens auf dieses Abenteuer vorbereitet. Und nun waren sie gespannt wie eine Feder am Katapult. Bereits unsere Ankunft in Kathmandu Anfang November 2014 war aufregend. Mein Nepalesischer Freund Tham Bahadur wartete draußen vor dem Flughafen, doch die Bürokratie seines Landes sollte uns noch eine Weile im Gebäude gefangen halten. Dann endlich war es soweit.

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Das Expeditionsteam: (von r. nach l.) Sepp Leitner, Tham Bahadur, Silvia Gabloner,Roman Zingerle und Roland Losso

 

Tham und ich lagen uns erneut in den Armen. Ich kenne Tham seit vielen Jahren, der vom Volke der Sherpa abstammende Tham aus dem Dhaulagiri Gebiet war sogar schon einmal bei uns in Südtirol zu Besuch gewesen. Ein unvergessliches Erlebnis auf beiden Seiten. Im Gedächtnis eingebrannt ist uns eine Begebenheit geblieben, als Tham damals in Südtirol vor einem gekreuzigten Christus stehen geblieben war stand anfing laut zu lachen. Wir waren etwas irritiert, da wir uns nicht vorstellen konnten, warum der arme Gekreuzigte solche Lachkrämpfe verursachen konnte. Auf diverse Nachfragen hin rückte Tham schließlich mit der Sprache raus. Und wir begriffen bald: Das Lachen war eher eine Verlegenheitsgeste gewesen. Er wusste nicht was sonst tun in einer solche Situation. Asiaten selten, sie lachen, wenn sie traurig oder verlegen sind. Als wir Tham erklärten, dass dieser Mann in unserer Religion unser Erlöser und er für uns am Kreuz gestorben sei, schüttelte er unverständlich den Kopf und meinte: “Wie könnt ihr nur so grausam sein, euren Erlöser ans Kreuz zu nageln? Damit hatte er natürlich Recht. Doch was uns noch mehr irritierte war seine Schlussfolgerung. “Warum nur beginnt ihr solch grausame Taten und zeigt sie dann mehr als 2000 Jahre lang der Welt. Das allerdings saß.

Tham- unser Sherpa

So pflegen wir seit mehr als 25 Jahren eine wunderbare Freundschaft mit Tham, dem Sherpa. Er hat sich vom einfachen Küchenjungen mit viel Fleiß emporgearbeitet zum Sirdar (Leiter – Führer) und ist dann zum Organisator eigener Trekkingtouren und Expeditionsleiter aufgestiegen. Auch mir hilft er seit vielen Jahren immer wieder, sämtliche Abenteuer in Nepal zu exerzieren. So auch dieses Mal. Tham ist für mich mittlerweile unverzichtbar in all meinen Abenteuern, die ich in Nepal mit Freunden plane.

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Roland Losso und Tham

Die erste Nacht verbrachten wir deshalb auch wieder gerne bei ihm und seiner Familie im buddhistischen Viertel von Kathmandu. Thams Frau und seine drei Kinder heißen uns jedes Mal herzlich Willkommen, bekochen uns mit Spaghetti, (die wir hier gar nicht haben wollen ha ha ha), und bereiten uns auf ihrer Terrasse, über den Dächern von Kathmandu stets exzellente Menüs vor, während sie andächtig daneben stehen und schweigen. Uns war das schon mehrmals peinlich, und wir forderten die Familie auf, sich doch zu uns zu setzen und mit zu essen, doch dann kam letzten Endes heraus: das ist ihnen peinlich. Vor soviel Gastfreundlichkeit mussten wir letzten Ende kapitulieren. Also essen wir immer noch alleine in Thams Haus.

Kathmandu du Wahnsinnige

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Kathmandu, dessen alter Name Kantipur heißt, liegt im Zentrum des dicht besiedelten Kathmandutales mit seinem bis zu 30 Kilometer breitem Talkessel auf einer Höhe von 1300 Metern und hat eine knappe Million Einwohner. Die Nachbarstädte Lalitpur (Patan) Bhaktapur, Madhyapur Thimi, Kirtipur und zahlreiche kleinere Gemeinden bilden einen Ballungsraum von über 1,5 Millionen Einwohnern. Rundum erheben sich die Berge bis auf 2700 Metern Höhe. Das Wasser der Flüsse im Talkessel wird einzig über den Hauptfluss Bagmati durch eine Schlucht nach Süden abgeführt, durch die sonst keine Verkehrswege führen. Zu Monsunzeit ist Kathmandu immer wieder für einige Tage von der Außenwelt abgeschnitten. Meine Freunde waren begeistert von der Exotik der Stadt, doch aber auch schwer beeindruckt über das organisierte Chaos, das von Jahr zu Jahr größer zu werden scheint.

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Noch immer gibt es viele Stunden am Tag keinen Strom, die Verkehrswege in der Stadt sind katastrophaler denn je und die Löcher in den Straßen scheinen auch von Jahr zu Jahr größer zu werden. Seit die gesamte Königsfamilie ausgerottet wurde und die Maoisten an die Macht gelangten, scheint hier rein gar nichts mehr zu funktionieren, die Korruption größer denn je und die Infrastrukturen maroder wie nie. Die vielen Gelder, die von den bergverrückten Europäern, Amerikaner und Australiern in das Land gepumpt werden, scheinen sich rund fünf bis sechs Mächtige im Lande untereinander aufzuteilen. Die Bevölkerung merkt rein gar nichts davon und auch die Stadt nicht. Das Land präsentiert sich ärmer als je zuvor und für Außenstehende hat es den Anschein, als ob jeden Moment alles in sich zusammenkrachen würde. Nepal gilt heute wohl als Paradebeispiel für eine absolute Misswirtschaft am Volke vorbei. Die Reichen und Mächtigen scheinen vergessen zu haben, dass es dort, weit unten auch noch ein Volk gibt, dem sie alles zu verdanken haben. Nichtsdestotrotz brannten unsere Freunde brennend darauf, eine Erkundungstour durch die Wahnsinnsstadt Kathmandu zu machen.

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Doch erst einmal ging es zum Mera Peak.

Nachdem wir ein Jahr zuvor wegen schlechter Witterungsbedingungen nicht nach Lukla fliegen konnten und deshalb eine Ochsentour von mehr als 19 Stunden mit einem Jeep über eine großteils nicht geteerte Straße hinter uns bringen mussten, war nun dieses Jahr unser Plan gereift, nach Pablu zu fliegen. Dort hat man vor einiger Zeit einen Ausweisflughafen gebaut, da sich Lukla immer wieder als sehr unsicher erwiesen hatte. Alle, die mehr über den berühmt – berüchtigten Flughafen, ja eigentlich dem gefährlichsten der Welt, wissen wollen, können sich hier unsere Video ansehen. Lukla liegt mit seinen 2780 Metern Höhe inmitten des Everest Gebietes und wird nur auf Sicht angeflogen. Die nur rund 100 Meter lange Landepiste, die abrupt an einer Mauer endet, ist schlicht und ergreifend “die” Herausforderung für jeden Piloten. Vom ersten Mt. Everest Bezwinger Sir Edmund Hillary erbaut, wurde Lukkla zum Synonom für die sprichwörtliche Bezwingbarkeit eines Unbezwingbarem. Man stelle sich vor, es ist Nebel und niemand sieht das Ende der Piste. Umgekehrt auch beim Starten. Dort endet die Piste nach kürzester Zeit an einem Felsvorsprung. Dennoch passiert relativ wenig angesichts der enormen Flugfrequenz.

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“unser Jeep”

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Unsere Hoffnung auf den Ausweichflughafen Palblu wurde tags darauf jedenfalls auch zerstört. Aus irgendwelchen Gründen gab es die Flüge nicht mehr. Diesmal überstand unsere Gruppe samt Begleitmannschaft rund um Tham die Fahrt nach Pablu relativ unbeschadet, tagsüber ist es auch sehr viel interessanter dorthin zu fahren, weil die Landschaft atemberaubend schön ist und die Achttausender bald sichtbar werden.

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Tags darauf startete unsere Gruppe von dort aus bereits die Trekkingstour, die sechs Tage dauernd sollte, bis wir das letzte Dorf Kare auf 4900 Metern Höhe erreichen sollten. Der tägliche Wandertrip führte uns durch Nadelbewaldung mit Himalaya-Zedern und herrlichen Rhododendronbäumen, auch bescherte uns das ständige Auf und Ab endlos scheinende Reisfelder, terrassenförmig angelegt und immer wieder auch riesige Wälder mit Zedern und Fichten und ausgiebige Panoramablicke. Es begegneten uns auf unserem schier endlos scheinenden Weg auch immer wieder zahllose voll-bepackte Eselkarawanen, begleitet von der einheimischen Bergbevölkerung, die die Dörfer ringsum versorgen. Das war sehr verwunderlich, da wir von anderen Touren die sonst üblichen Yaks gewohnt waren. Die stets netten und freundlichen Sherpas, die hier im völligen Einklang mit der Natur leben, waren Balsam für unsere gestressten Europäer – Seelen. So wanderten wir von morgens bis abends, stiegen hinauf auf den Taskhindo Pass auf rund 3000 Metern, durchquerten die verschiedensten Dörfer und stiegen dann immer wieder hinab in tiefe Täler, bis wir abends in einer Lodge gelangten, wo wir unser Abendbrot einnahmen und schließlich todmüde in die Matratzen fielen.

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Den wilden Dudh Koshi-Fluss haben wir auf einer Hängebrücke überwunden, dann ging es weiter nach Kharikhola wo sich das Himalaya-Vorgebirge in unbeschreiblicher Schönheit vor unseren Augen auftat. Bis nach Kudki wanderten wir durch einen subtropischen Wald mit einem Meer an Rhododendron Büschen bis hinauf auf den fast 3200 Meter hohen Pangongma La-Pass. Der schmale Weg mit seinen kleinen Steilstufen ist schon etwas für Geübte. Durch das Hinku Khola-Tal bis nach Chhatarwa ging es über einen Bergrücken bergan, bis wir das Dorf Kothe auf ca. 3540 Meter erreichten.

Nach einer Nacht in Kothe stiegen wir langsam das Tal nach Norden hinauf, passierten einige Almen und erreichen am Ende des Hochtals die Lodges der Alm Tagnag auf rund 4300 Metern Höhe. Dort brach vor ein paar Jahren ein riesiger Gletschersee aus und überflutete alle Felder ringsum. Das Dorf selber blieb gottlob weitestgehend verschont bis auf eine Behausung, die mitgerissen wurde. Ein Jahr später dann brach am Rande desselben Dorfes eine gewaltige Eislawine ab und auch diesmal kam Tagnag mit dem Schrecken davon. Die Ausmaße dieser Naturerscheinungen sind heute noch sichtbar. Hier wird auch die Bergkulisse immer beeindruckender. Die Eisriesen ragen immer näher und höher vor uns in den Himmel.

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Tags darauf wandern wir vorbei am Sabai-See und dem Dig-Gletscher und steigen bergauf durch Moränenlandschaft bis zu einem schönen Rastplatz, etwa 30 Minuten unterhalb der Alm Khare. Jetzt spüren wir förmlich den Atem des Giganten. Kare wird nur den Sommer über bewohnt, dann nämlich, wenn die Touristen hier sind und Verpflegung benötigen.

Über Geröll und große Blöcke geht es steil bis zur Gletscherzunge des Mera-Gletschers und dann wieder etwas flacher über den fast spaltenfreien Gletscher hinauf bis zum ca. 5420 Meter hohen Mera La-Pass. Ein atemberaubender Blick über die gigantische Bergwelt des Himalaya mit dem ersten Blick zum Achttausenders Makkalu raubt uns fast die Sinne bis wir das Hochlager des Mera Peak auf 5800 Metern Höhe erreichen. Das Camp liegt auf einer Felsinsel mitten im Gletscher und bietet eine grandiose Aussicht auf die gesamte Kette der Achttausender: Mt. Everest, Lhotse und Makalu reihen sich vor unseren Augen auf, Cho Oyu und Kanchenjunga stehen direkt vor uns. Wir sind überwältigt. Nach einer bitterkalten Übernachtung im Hochlager sind wir um 2 Uhr früh gestartet, um unseren Traumberg, den Mera Peak, zu erklimmen.

 Der Gipfel des Mera Peaks

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Die Gruppe am Gipfel

Gegen 6 Uhr früh durften wir trotz starkem Wind und unbeschreiblicher Kälte, einen atemberaubenden Sonnenaufgang erleben und erreichten schließlich gegen 8 Uhr früh den Gipfel des 6461 Meter hohen Mera Peak. Manchmal war der Weg dorthin vereist oder schwer begehbar. Doch ein Fixseil sorgte für Entspannung. Nun ging der Puls schon etwas schneller, die Luft war glasklar und eiskalt. Doch am Ziel angelangt, breiteten sich vor uns erneut mächtige Gletscher aus. Der Blick auf fünf der vierzehn Achttausender der Welt lohnte für alle Mühen und Strapazen.

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Tham am Gipfel

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Unser Rückweg führte dann über den Chhatarwapass auf 4200 Metern Höhe und der Abstieg davon erschien uns nun ein gutes Stück schwieriger, als unser Gipfelansturm. 20 cm Neuschnee mit einer kräftigen Eisschicht darunter brachten uns an den Rand unserer Kräfte. Höchste Konzentration war angesagt. Ein falscher Schritt und ein fataler Sturz konnten die Folge sein. Am Ende unserer Rückkehr aber wartete Lukla auf uns und das Glück war uns hold. Wir konnten im letzten Moment einen Flug nach Kathmandu ergattern.

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Dort angelangt waren ein paar Tage Relaxen angesagt. Und ein paar ausgiebige Stadtbesichtigungen, denn meine Freunde hatten bislang gar nicht die Zeit gehabt, die Hauptstadt von Nepal besser kennen zu lernen. Ausflüge nach Bakthapur, in die alte Königsstadt standen auf dem Programm. Ein Tag am Bagmati River zu den Totenverbrennungen hinterließ nachhaltige Eindrücke. Und wieder warteten dort die Gurus auf uns für die anstehenden Fotos. Nepals größte Stupa Bodnath mit ihren leuchtenden Augen und dem atemberaubenden Flair waren ebenfalls angesagt und die Freunde waren begeistert. Der Swayambaunath, der so genannte Affentempel, ist ebenfalls ein absolutes Muss für Nepalreisende, denn der Tempelkomplex erzählt die uralte Geschichte Kathmandus. Auch in Thamel, der Altstadt von Kathmandu, lässt es sich gut flanieren, einkaufen und verweilen und unzählige Erlebnisse werden dafür sorgen, dass die absolut unlöschbare Festplatte im Gehirn erneut mit beeindruckenden Megabildern gespeichert wurde. Reisen bildet ja bekanntlich. Wir kehrten mich unglaublichen Bildern vom anderen Ende der Welt wieder heim in unser Bewusstsein. Die Eindrücke, Empfindungen, Gefühle und Gerüche “dieser” Welt werden uns ewig begleiten.

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Hallo, ich bin Christine Losso, Journalistin. Buchautorin und Bloggerin... Es kann einem nichts Besseres passieren als das Glück zu haben, um die Welt zu ziehen, um neue Kulturen, neue Perspektiven und neue Menschen kennen zu lernen: Für sich selber und für die Allgemeinheit. Ich möchte euch mit unseren mehr oder weniger verrückten Geschichten rund um den Globus etwas unterhalten und erheitern...

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